Ein Drachenboot (chinesisch 龙舟 lóngzhōu oder chinesisch 龙船 lóngchuán)
ist ein besonders langes, offenes Paddelboot, das ursprünglich aus
China stammt. Zumeist stellt es durch Bemalung und/oder Schnitzarbeiten
sowie einen dekorativen Drachenkopf und -schwanz einen stilisierten
chinesischen Drachen dar. Die Boote werden heute weltweit als Sportboote
oder bei Veranstaltungen verwendet und auch dann als Drachenboot
bezeichnet, wenn auf die dekorativen Elemente verzichtet wird.
Die Fortbewegung von Booten mit Hilfe von Stechpaddeln hat sich in
mehreren Kulturen unabhängig voneinander entwickelt. Typisch für die aus
Asien stammenden Paddelboote, auf die dieser Abschnitt begrenzt ist,
ist jedoch die stilisierte Darstellung der Boote als Drache.
Altertum
Die Geschichte von Drachenbootrennen ist sehr stark durch Mythen
geprägt, in deren Mittelpunkt steht jedoch immer der Drache.
Drachenbootrennen sind Teil des Drachenbootfestes oder auch
Duanwu-Festes, das am fünften Tag des fünften Mondmonats nach dem
chinesischen Mondkalender stattfindet. Der populärsten Legende nach
erinnert das Drachenbootfest an den Versuch, den chinesischen
Nationaldichter Qu Yuan im Jahre 277 v. Chr. vor dem Ertrinken zu
retten. Angeblich werden seitdem zu Ehren des Dichters Drachenbootrennen
veranstaltet. Das Duanwu-Fest gab es allerdings schon bevor Qu Yuan
geboren war. Das Duanwu-Fest ist das Fest der Wuyue, einem alten
Volksstamm dessen Totem der Drache war. Die Wuyue brachten an diesem Tag
Opfer zu Ehren des Drachen. Eine andere Theorie besagt, dass die Boote
mit den geschnitzten Drachenköpfen benutzt wurden, um bei
Überschwemmungen die Drachen im Wasser zu beruhigen. Und in der
chinesischen Provinz Zhejiang wird der Ursprung der Rennen auf den König
von Yue, Gou Jian, zurückgeführt, der nach einer militärischen
Niederlage seine Truppen in Drachenbootrennen trainierte und mit ihrer
Hilfe den Staat Chu wieder errichteten konnte.
Der Ursprung der Drachenboote wird von Wissenschaftlern im südlichen
Zentral-China, insbesondere in der Gegend des Jangtsekiang ca. 500 v.
Chr. vermutet. Organisierte Drachenbootwettkämpfe gab es dort schon sehr
früh. Reglementierte Wettkämpfe wurden bereits während der Sui-Dynastie
(581–618) und Tang-Dynastie (618–907) in China durchgeführt.
ca. 500 v. Chr. In China dienen Drachenboote als Fortbewegungsmittel.
ca. 280 v. Chr. angebliche (misslungene) Rettung des chinesischen Nationaldichters Qu Yuan vor dem Ertrinken
Neuzeit
In den 1970er Jahren beschloss die „Hong Kong Tourist Association“
(heute: Tourist Board) ein Drachenboot-Festival als Werbung für Hong
Kong zu organisieren. Das 1. Hong Kong International Dragonboat Race,
das als Beginn der modernen Drachenboot-Geschichte gilt, fand 1976 mit
zehn Mannschaften statt. Von da an entwickelte sich das Festival zu
einer publikumswirksamen, jährlich stattfindenden internationalen
Regatta. 1991 kam es dann zur Gründung der International Dragon Boat
Federation (IDBF) in Hongkong, die 1995 die ersten Weltmeisterschaften
ausrichtete. 2005 wurden von der International Canoe Federation (ICF)
die 1. ICF Drachenboot Club-Weltmeisterschaften in Schwerin
ausgerichtet. Mittlerweile ist Drachenboot ein internationaler
Wettkampfsport, der weltweit in über 40 Ländern betrieben wird.
Seit den 1990er Jahren wurde der Drachenboot-Sport in Deutschland
immer populärer, was sich sowohl in der Zahl der Regatten, als auch in
der Zahl der organisierten Sportler widerspiegelt. Bereits zu Beginn der
1990er Jahre wurden eigenständige Drachenboot-Vereine gegründet.
Gleichzeitig fanden sich in Kanuvereinen Drachenbootmannschaften
zusammen. In Deutschland fand das erste Drachenboot-Rennen 1987 im
Rahmenprogramm der Kanu-Weltmeisterschaften in Duisburg statt. Bereits
zwei Jahre später wurde in Hamburg anlässlich des 800. Hafengeburtstags
eine internationale Regatta mit 75 Teams aus fünf Kontinenten
veranstaltet, auf die 1990 die Gründung des Deutschen
Drachenbootverbandes (DDV) in Hamburg und 1991 die 1. Deutsche
Drachenboot Meisterschaften in Dresden folgten. 2005 und 2009 war
Drachenboot als Einladungssportart im Programm der World Games
vertreten.
Große Drachenbootregatten (z. B. in Düsseldorf, Duisburg, Essen,
Hamburg, Hannover, Saarbrücken, Dillingen/Saar, Frankfurt/Main) haben
Volksfestcharakter und erreichen mitunter fünf- bis sechsstellige
Besucherzahlen. In Deutschland ist der Drachenboot-Sport stark durch
regionales Engagement geprägt. Orte, in denen (verbandsübergreifend) der
Drachenboot-Sport einen hohen Stellenwert hat, sind Mannheim, Potsdam,
Hannover, Wuppertal, Schwerin, Neubrandenburg, Wiesbaden, das Saarland
und Bad Säckingen am Hochrhein.
Zeittafel
1976 1. Hong Kong International Dragonboat Race
1980 1. europäisches Drachenboot-Rennen in London
1981 Drachenboot-Schaurennen im Rahmenprogramm der Kanu-Weltmeisterschaften in Nottingham
1987 Drachenboot-Schaurennen im Rahmenprogramm der Kanu-Weltmeisterschaften in Duisburg
1989 Drachenboot-Rennen in Deutschland als Teil des 800. Hafengeburtstags in Hamburg
1990 Gründung des Deutschen Drachenboot-Verbandes e. V. in Hamburg
1990 Gründung der European Dragon Boat Federation (EDBF) in London
1991 Gründung der International Dragon Boat Federation (IDBF) am 24. Juni in Hongkong
1991 1. Deutsche Drachenboot-Meisterschaften in Dresden (DDV)
1993 Bootsbaumeister Andreas Stankewitz aus Schwerin konstruiert das erste vermessbare Wettkampfdrachenboot
1994 Festlegung eines Standards für Renn-Drachenboote durch die IDBF und für Paddel durch die EDBF
1994 Gründung des Schweizerischen Drachenboot Verbandes (SDBV)
1995 1. Drachenboot-Weltmeisterschaften der IDBF in Yueyang
2004 Gründung des DKV-Ressorts Kanu-Drachenboot
2004 1. Deutsche Meisterschaften Kanu-Drachenboot (DKV)
2005 1. ICF-Drachenboot-Club-Weltmeisterschaften in Schwerin
2005 Drachenboot ist Einladungssportart bei den World Games in Duisburg
2006 1. Drachenboot-Weltmeisterschaften der International Canoe Federation (ICF)
2007 Die International Dragon Boat Federation (IDBF) wird in die GAISF aufgenommen
2009 Drachenboot ist Einladungssportart bei den World Games in Kaohsiung
2012 1. Gesamtdeutsche Meisterschaft des DDV und des DKV in Hamburg
Organisation
Drachenbootrennen auf dem Essener Baldeneysee
Verbandsstrukturen
Sowohl international als auch national ist der Drachenbootsport
parallel in zwei Sportverbänden organisiert: International in der
International Dragon Boat Federation (IDBF) und dem Internationalen
Kanu-Verband (ICF). Nachdem eine ursprünglich vereinbarte Kooperation
zwischen IDBF und ICF scheiterte, konnten sich die beiden Verbände nicht
über einen Vertretungsanspruch des Drachenboot-Sports auf
internationaler Ebene – insbesondere in dem Weltsportverband GAISF und
in dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) – einigen. Der
Internationale Kanuverband, der GAISF-Gründungsmitglied ist, betrachtet
Drachenboot als Sparte des von ihm vertretenen Kanusports. Die IDBF
bemühte sich ebenfalls um Aufnahme und wurde (nach zwei vergeblichen
Anläufen 2005 und 2006) am 27. April 2007 auf der Annual General
Assembly der GAISF als Fachverband für Drachenbootsport aufgenommen. ICF
und IDBF streiten seitdem darüber, ob damit ein
Alleinvertretungsanspruch der IDBF für den Drachenbootsport verbunden
ist oder nicht. Die Drachenbootwettkämpfe im Rahmen der World Games 2005
und 2009 wurden unter Verantwortung der ICF durchgeführt.
In Deutschland ist der Drachenbootsport seit 1990 im Deutschen
Drachenboot-Verband (DDV) organisiert, der seit 1991 Deutsche
Meisterschaften ausrichtet. Nachdem ein bereits ausgehandelter
Zusammenschluss des DDV mit dem Deutschen Kanu-Verband (DKV) am Votum
der DDV-Mitglieder scheiterte, gründete der DKV 2004 ein eigenes Ressort
“Kanu-Drachenboot” und richtet seitdem separate Deutsche
Meisterschaften aus. Der DDV ist Mitglied der International Dragon Boat
Federation (IDBF) und der European Dragon Boat Federation (EDBF); der
DKV gehört der International Canoe Federation (ICF) und der European
Canoe Assosiation (ECA) an. National ist der DKV als Fachverband im
Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) organisiert und betrachtet sich
dort als Vertreter des Drachenbootsports. Der DDV bemüht sich ebenfalls
um Aufnahme in den DOSB, ein Aufnahmeantrag in die Vorgängerorganisation
Deutscher Sportbund wurde Ende der 1990er-Jahre (aus formalen Gründen)
abgelehnt.
Vereine
Drachenbootteams gibt es sowohl in eigenständigen
Drachenboot-Vereinen als auch als Abteilungen in anderen Sportvereinen.
Bei Letzteren handelt es sich überwiegend um Kanuvereine, da dort die
entsprechende Infrastruktur vorhanden ist (Bootshaus in Wassernähe,
Umkleide- und Krafträume, Lagermöglichkeiten). Z.T. haben auch Ruder-
und Mehrspartensportvereine Drachenbootabteilungen. Im Oktober 2007
waren im Deutschen Drachenboot-Verband 11 Vereine und im Deutschen
Kanu-Verband 94 Vereine mit einer Sparte „Kanu-Drachenboot“ organisiert.
Neben den im Verein organisierten Drachenbootfahrern nehmen – vor
allem im Rahmen von sommerlichen Volksfesten – in großer Zahl auch nicht
in Drachenboot-Vereinen organisierte Betriebsmannschaften oder andere
Sportgruppen an Regatten teil.
Wettkampfsport
Der in den Verbänden organisierte Wettkampfsport verzeichnet seit den
1990er Jahren eine zunehmende Professionalisierung und Reglementierung.
Dieser Prozess wurde insbesondere durch die Gründung von Vereinen und
deren Organisation in Verbänden vorangetrieben. So wurde beispielsweise
1994 durch die IDBF Standards für Renn-Drachenboote und durch die EDBF
Standards für Renn-Drachenboot-Paddel festgelegt.
In Deutschland haben sowohl der Deutsche Drachenboot Verband (DDV)
als auch der Deutsche Kanu-Verband (DKV) eigene Wettkampfbestimmungen
verabschiedet, die die Durchführung von Wettkämpfen innerhalb des
jeweiligen Verbandes regeln, sich im Kern aber nur wenig unterscheiden.
Beide Verbände organisieren eigene Deutsche Meisterschaften und
Landesmeisterschaften.
International richtet die IDBF seit 1995 alle zwei Jahre die „World
Dragon Boat Racing Championships“ (WDBRC) für die besten Teams eines
Landes aus. In den Jahren zwischen den Weltmeisterschaften werden die
IDBF Club Crew World Championships (CCWC) für die besten
Vereinsmannschaften ausgetragen. Den gleichen Rhythmus haben seit 2005
auch die Welttitelkämpfe der ICF, die im Wechsel für Vereins- und
Nationalmannschaften stattfinden.
Ziel der Wettkämpfe ist es, eine bestimmte Strecke so schnell wie
möglich zu bewältigen. Als Streckenlängen haben sich 200/250 m (Sprint),
500 m (Kurzstrecke), 1000 m/2000 m (Mittelstrecke) sowie 3000–10000 m
(Langstrecke) etabliert. Bei Breitensportveranstaltungen und
Traditionsrennen sind die Strecken in der Regel nicht normiert.
Wettkämpfe werden häufig auf den bereits existierenden Regattastrecken
für den Kanu- und Rudersport oder auf geeigneten Wasserflächen in der
Nähe von Innenstädten ausgetragen.
Sowohl die IDBF als auch die ICF unterscheiden folgende
Mannschaftsklassen: Open (Herren), Woman (Frauen) und Mixed. Zudem
unterscheiden die Verbände noch Altersklassen.
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